Sonntag, 7. Dezember 2014

Fat Girl Casualness



Wer kennt nicht diese hübschen Tumblr Bildchen von dünnen, meist weißen, Mädchen, mit wilden Haaren, als wären sie grade aus dem Bett gekommen. Kein Make-Up und schlodderige Kuschelpullis. Sie sind süß und zart und wunderschön, sie sind "effortless" und natürlich, sie sitzen mit Tea und Buch den ganzen Tag im Bett oder haben eine Katze aus dem Schoß. Draußen regnet es uns alles ist irgendwie ein kleines bisschen mystisch.
Irgendwann letzte Jahr habe ich mal ein Foto bei tumblr gepostet (das da oben), dazu schrieb ich, dass ich grade im Bett liege und den ganzen Tag nur Supernatural gucke. Darauf hin erreichten mich 3 anonyme Tumblr Nachrichten darüber, dass ich meine Zeit lieber im Fitness Studio verbringen sollte, und es nicht verdient hätte nichts zu tun, so wie ich aussehen würde.

Worauf ich damit hinaus will ist, dass ich als fette Frau das Gefühl habe immer so aussehen muss, als hätte ich jede Menge Zeit und Muße für mein Aussehen aufgewendet. Dieser Gedanken kommt nicht weniger von Außen, als auch von einem selbst. Schon bevor ich einen Blog führte oder mich wirklich für Mode interessierte ging ich fast niemals ungeschminkt aus dem Haus. Das hat natürlich zum einen was damit zu tun, dass ich meine eigene Unsicherheit verdecken wollte, zum anderen war es für mich ein Muss, weil ich so zeigen konnte, dass, obwohl ich fett bin, ich mich nicht hängen gelassen habe. Ich habe schon oft darüber geschrieben, dass Mode für mich der erste Schritt zu einem befreiterem Leben war, der erste Berührungspunkt mit Fat Acceptance und mit einem besseren Selbstwertgefühl. Trotzdem kann ich nicht verleugnen, dass lange Zeit der Gedanke, dass ich, wenn ich hübsch angezogen und nett geschminkt bin, doch jetzt bestimmt besser behandelt werden müsste, anders wahrgenommen werden sollte, weil ich nach außen zeige, dass ich mir Mühe gebe.

Dabei ist das totaler Schmuh! Denn erstens sollte ich mir diese Mühe für sich geben, weil ich mich selbst verzaubern will, mir es Spaß macht vorm Spiegel zustehen und mir zehn verschiedene Produkte ins Gesicht zu pinseln und danach in mein Lieblingskleid zu schlüpfen. Und zweitens müssen wir endlich verstehen, dass ein dicker Mensch im Schlabberlook oder Jogginghose auf die Straße gehen darf, ohne gleich als "Asi" abgestempelt zu werden.

Der Druck, das man sich, um sein Dicksein zu verdecken oder davon abzulenken immer super duper glamour mäßig Aussehen muss, ist ziemlich hoch. Als fette Frau modebewusst wahrgenommen zu werden, hängt sehr stark davon ab, ob das Styling, die Haare, die Outfit immer zu 100% stimmen. Für fette Frauen gibt es keinen Out-Of-Bed-Look, kein "ich habe nur schnell das Hemd meines Freundes übergeworfen", und Lippenstift drauf gemacht, es muss immer Pin-Up und Glamour und sexy im Korsett eingeschnürt sein. Dieses Gefühl spiegelt sich auch oft in der Mode wieder. Sexy enge Kleider, süße Röckchen, alles Dinge die ich liebe, aber was ist mit klaren, schlichten Schnitten? Was ist mit dem "boyfriend" Look (urg ich finde das Wort irgendwie unpassend, aber es ist schwierig was anderes zu finden)? Es muss immer alles super weiblich, super schick sein. Klamotten sollen uns zeigen, dass wir sexy und begehrenswert sind, dass wir tolle Rundungen haben und dicke Sexgöttinen sind. Weiblichkeit wird groß geschrieben, so als ob eine fette Frau in Jeans und Bandshirt keine richtige Frau sein kann.


Und natürlich sollte es mir egal sein, was Leute darüber denken, wenn ich in Jogginghose einkaufen gehe, meistens ist es das auch. Aber das ändert nicht, dass die äußeren Umstände einem das Gefühl vermitteln, dass fett & faul zwei Dinge sind, die keines Wegs zusammen gehen dürfen. Andere Modemädchen wird nicht abgesprochen, dass sie Geschmack und Stil haben, fette Frauen dagegen müssen das jeden Tag aufs neue beweisen.
Ein Blick auf sämtliche Vorher-Nacher Shootings oder die meisten Mainstream Nacktfotos von dicken Frauen. Immer wieder die der dicken Venus, die nur so platz vor Weiblichkeit. Der sexy 60s Pinup Look, glänzende Lippen und die Verkörperung des Wortes Wolllust und Völlerei. Es gibt keine kurz Haarschnitte, keine dicken Frauen mit kleinen Brüsten, kein Schlabber T-Shirt mit Loch, Wollsocken oder fettige Haare, sondern weiches perfekt gedimmtes Licht, dass Cellulite verschwinden lässt, es muss immer die Sünde pur, das Verlangen, Sex, Sex und mehr Sex sein. Fette Frauen können anscheinend niemals locker, casual und in Sonntagsstimmung gezeigt werden.
Natürlich sind fette Frauen alles was ich eben "kritisiert" habe, aber wir sind eben auch noch mehr. Und es ist manchmal sehr schwierig die eigene Balance zwischen völlig entsexualisiert und total übersexualisiert zu finden.